16. Januar 2018
Pre-Employment-Screening – richtig umgesetzt
Arbeitgeberinteresse Versus Datenschutz
In Zeiten von Globalisierung und steigenden Ansprüchen in der Arbeitswelt ist ein qualitativ hochwertiger Recruiting-Prozess entscheidend. Darüber hinaus nehmen auch Täuschungsversuche in Bewerbungen zu. Bereits mit begrenzten Kenntnissen in Bildbearbeitung oder schriftlichen Ausbesserungen im Lebenslauf können Bewerber Arbeitszeugnisse schönen oder Managementkompetenzen aufbauschen und so die Chance auf ein persönliches Bewerbungsgespräch erhöhen. Laut einer Überprüfung der Düsseldorfer Wirtschaftsdetektei Kocks waren von 5.000 Bewerbungsunterlagen rund 30 Prozent manipuliert. Gerade bei der Besetzung für sensible Fachbereiche oder hohe Management-Positionen können Einstellungen ungeeigneter Kandidaten zu erheblichen Schäden führen. Durch präventive Überprüfungsverfahren – sogenannte Pre-Employment-Screenings – können Unternehmen Risikopotenziale bereits im Vorhinein abschwächen und die Qualität ihrer Recruiting-Prozesse nachhaltig steigern.
Was bedeutet Pre-Employment Screening?
Pre-Employment-Screenings oder Pre-Employment/Background Checks dienen der Überprüfung von gelieferten Informationen aus Lebensläufen und Unterlagen. Unternehmen verbinden die Untersuchung der berufsrelevanten Eigenangaben von Bewerbern meist mit der Einholung zusätzlicher Hintergrundinformationen. Besonders kritisch sind beispielsweise Einstellungen, die im Zusammenhang mit finanziellen Ressourcen oder sensiblen und vertraulichen Informationen stehen. Die Gestaltung und das Ausmaß solcher Checks sind abhängig von der Position oder auch etwaigen Unregelmäßigkeiten aus den Unterlagen. Das Screening findet als unterstützende Maßnahme vor der Einstellung und Vertragsunterzeichnung statt.
Ursprung und rechtliche Hintergründe
Bewerberüberprüfungen gehören in den USA und in Großbritannien längst zum Standard-Prozedere und haben dort, im anglo-amerikanischen Raum, ihren Ursprung. Die Verhütung von Wirtschaftskriminalität steht hierbei im Fokus. In Deutschland ist diese Form des Kandidatenscreenings weniger prominent, was nicht zuletzt an den sehr strengen datenschutz- sowie arbeitsrechtlichen Bestimmungen der DACH-Region liegt. Arbeitgeber sollten sich jederzeit innerhalb des allgemeinen gesetzlichen und rechtlichen Rahmens bewegen. Spezifisch bezogen auf Pre-Employment-Screening existiert bis dato jedoch keine Festsetzung durch den Gesetzgeber oder eine präjudizierende Rechtsprechung.
Wie funktionieren Pre-Employment-Screenings?
Die Informationsbeschaffung kann beispielsweise in Form einer Internetrecherche erfolgen. Erlaubt sind hierbei zum einen die Nutzung allgemein zugänglicher Suchmaschinen sowie die Recherche auf sozialen Netzwerken. Letzteres ist jedoch nur zulässig, sofern das Netzwerk berufsbezogen ist (z.B. Xing, LinkedIn). Ausgeschlossen ist die Informationssammlung auf freizeitorientierten Plattformen wie Facebook, da sie der Darstellung privater Inhalte dienen. Der wichtigste Bestandteil ist die Überprüfung und Verifizierung der Bewerbungsunterlagen, einschließlich Zeugnissen und Referenzen. Im Rahmen des „Fragerechts des Arbeitgebers“ schließt das auch die Kontaktaufnahme mit früheren Arbeitgebern oder besuchten Bildungseinrichtungen ein. Besonders das Gespräch mit Unternehmen kann aufschlussreich sein. Arbeitszeugnisse sollen den gesetzlichen Verpflichtungen nach wohlwollend formuliert sein. Dieser Bestimmung unterliegt diese direkte Kontaktaufnahme mit früheren Arbeitgebern nicht. Eventuelle Ungereimtheiten können im Zuge des Prüfungsprozesses also entweder beseitigt oder aufgedeckt werden. Über XING oder LinkedIn kann durch das Screening zudem ein Einblick in das Netzwerk des Kandidaten gewonnen werden. Dies kann nicht nur bei der Einstellung für Sales-Positionen, sondern auch für Projektleiter oder Manager-Stellen sehr aufschlussreich sein. Hat der Bewerber beispielsweise Kontakt zu relevanten Firmen oder zu Mitbewerbern? Auch das persönliche Kommunikationsverhalten des Kandidaten in Foren oder ähnlichen Online-Diensten kann für den Personalverantwortlichen im Vorfeld von Bedeutung sein.
Auslagerung an spezialisierte Dienstleister
Durch die bereits angesprochenen rechtlichen Grenzen im Umgang mit den sensitiven Daten lagern viele Unternehmen diesen Teil der Evaluierung auf spezialisierte Dienstleister aus. Einerseits gibt es Consulting-Agenturen für Bewerberüberprüfungen. Bei Vesterling unterliegen Kandidatenprofile beispielsweise einem standardisierten Backgroundcheck. Zudem existieren mittlerweile auch zahlreiche Software-Angebote, die neben dem gängigen Bewerbermanagement auch effiziente Analysetools für Pre-Employment-Screenings enthalten. Die cloudbasierte Software “Prescreen” bietet beispielsweise die Möglichkeit, hinterlegte Lebensläufe und Daten automatisiert zu analysieren. Die Synchronisierung der Software mit dem Karriereportal der Unternehmenswebsite erstellt eine passende Kandidatenvorauswahl und gestaltet so zeit- und arbeitsintensive Prozesse effizienter. Das Startup wurde mittlerweile von der Karriere-Plattform XING aufgekauft.
Analysetools und ihre Funktionen
(Auswahl ohne Anspruch auf Empfehlung – siehe auch capterra.com)
Analysetools | Funktionsweise |
Prescreen | E-Recruiting Software mit Matching-Technologie Unterstützung des Recruiting-Prozesses von 1-Klick Bewerbung bis Online-Assessment-Center Flexible Gestaltung der Bewerbungsprozesse durch individuelle Definition der Schritte je StelleIntegration der Software über Schnittstelle mit dem Firmen-Karriereportal Anpassung des Bewerbungsportals an unternehmensinterne Corporate Identity und Unterstützung bei der Inseratgestaltung |
iApplicants | Webbasiertes Karriere-Tracking-System Automatische Vorsortierung auf Basis grundlegender Anforderungen und jobspezifischen Screening-Fragen Angebot integrierter Vorbereitungs-Tests (Assessments) und KompetenztestsIntegrierte Background-Checks im Hintergrund Anpassbare Analyse- und Reportingmöglichkeiten hinsichtlich Bewerber-Traffic und Karriereseite Einfaches Posting der Stellenangebote in Jobbörsen und Social Media |
HiringBoss | Cloud-basiertes Bewerber-Tracking-System Einfache Verwaltung von Lebensläufen, Online-Stellenausschreibungen, Vorstellungsgesprächen auf einer Plattform Automatisierter Workflow durch Funktionen wie Filterungsmöglichkeiten und Instant Interview Scheduler Anpassung der Einstellungen an den internen Einstellungsprozess Automatisierung des Kommunikationsprozesses mithilfe von gebrandeten E-Mails Leistungsmessung interner und externer Bewerberkanäle mit der HiringBoss ScorecardAnalysetools bezüglich Kandidatenquellen und Kennzahlen |
Worin liegt der Mehrwert für den Arbeitgeber?
Der Mehrwert und das Ziel von Pre-Employment-Screenings liegen in der Risikominderung bei der Personalauswahl. Möglicherweise entstehende Schäden durch Fehlbesetzungen sind im Nachhinein mit deutlich mehr Aufwand verbunden, als bereits während des Recruiting-Prozesses eingehender zu selektionieren. Durch Chancengleichheit und die genaue Ausarbeitung der Voraussetzungen für eine Einstellung kann die Auswahl qualifizierter Arbeitskräfte unter anderem zu einer Steigerung der Produktivität im Unternehmen, einer verminderten Fluktuation sowie insgesamt zu einem Wettbewerbsvorteil führen.
Vorteile | Nachteile |
Schnelle InformationsgewinnungProduktivitätssteigerung, verminderte Fluktuation und Wettbewerbsvorteil durch qualifizierte ArbeitskräfteQualitätssteigerung im Recruiting-ProzessVermeidung von Schäden durch FehlbesetzungenChancengleichheit für Bewerber durch einheitliches Vorgehen bei der Einstellung | Hoher Zeit- und RessourcenaufwandBeachtung strenger Bestimmungen im Umgang mit sensiblen DatenFehleinschätzung aufgrund falscher Analyse |
Das sollten Unternehmen beachten
Ein faires Pre-Employment-Screening darf ausschließlich auf Bewerbungsangaben angewendet werden, die für die Stelle und Qualifikation wirklich von Bedeutung sind. Der Screeningumfang sollte verhältnismäßig sein und jederzeit kritisch auf seine Notwendigkeit bewertet werden. Dies schließt beispielsweise die Informationsbeschaffung im Hinblick auf die Krankheitsgeschichte eines Bewerbers oder vorhandene Vorstrafen ein. Checks sollen grundsätzlich auf Basis der geltenden Datenschutzbestimmungen vorgenommen werden. Verstöße gegen diese Bestimmungen können zu Sanktionen und insgesamt zur Schädigung der Unternehmensreputation führen. Zudem sollte stets der Respekt vor der Privatsphäre der Bewerber gewahrt werden. Es empfiehlt sich insgesamt, einen systematischen Leitfaden für das Screening-Verfahren und deren Informationsziele zu erstellen, um die Gewinnung von seriösen und belangvollen Information sicherzustellen.
Checkliste: Guidelines für ein faires Bewerber-Screening
- Festsetzung von Informationszielen
- Kritische Hinterfragung der Relevanz zur Stelle
- Respekt der Privatsphäre von Bewerbern
- Bewertung von Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit
- Screening innerhalb des zulässigen datenschutzrechtlichen Rahmens
- Wahrung der Seriosität von Quellen und Informationen
Quellen und weiterführende Informationen:
- Pre-Employment-Screening – Welche Tools gibt es: www.capterra.com.de/directory/30863/pre-employment-testing/software
- www.business-wissen.de/artikel/bewerber-screening-das-sollten-sie-beim-background-check-beachten/
- Xing übernimmt Recruiting-Start-Up “Prescreen”: www.gruenderszene.de/allgemein/millionen-exit-prescreen-xing-recruiting
- www.datenschutzbeauftragter-info.de/pre-employment-screenings-spagat-zwischen-arbeitgeberinteresse-und-datenschutz/
- www.thebalance.com/job-applicant-pre-employment-screening-2059611
- www.handelsblatt.com/unternehmen/management/wirtschaftsermittler-manfred-lotze-ueberprueft-bewerber-luegen-im-lebenslauf/2167410.html
- wirtschaftsrecht-news.de/2016/01/background-checks-von-bewerbern-was-ist-erlaubt/ (Studie Lotze)
- prescreen.io/de/
- www.iapplicants.com