30. Juli 2013
Macht Visum-Bürokratie die Blue Card zahnlos?
München, 30. Juli 2013. Die Blue Card wurde vor einem Jahr als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel eingeführt. Qualifizierte Arbeitssuchende außerhalb der EU sollen dadurch Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die bürokratischen Hürden beim vorangehenden Visumantrag den Erfolg der gelenkten Einwanderung durch die Blue Card behindern. Die Gesamtdauer der Bearbeitung beträgt in der Regel vier bis fünf Monate.
Wer eine Blue Card als Zugang für den deutschen Arbeitsmarkt erhalten will, braucht einen langen Atem. Rund vier bis fünf Monate warten Antragsteller auf die Zuteilung. Am meisten Zeit benötigt dabei die Bearbeitung des Visum-Antrags. Für die Ausstellung durch die zuständige Stelle muss durchschnittlich mit 3 Monaten gerechnet werden. Daran ändert auch Deutschlands Hunger nach Fachkräften nichts.
„Bei einem unserer Bewerber aus Mazedonien musste der Arbeitgeber unlängst den Arbeitsvertrag neu aufsetzen. Die Dauer des bürokratischen Weges machte dem Bewerber einen fristgerechten Stellenantritt unmöglich“, kritisiert Martin Vesterling, Geschäftsführer der gleichnamigen Personalberatung mit Spezialisierung in IT und Engineering. In den letzten Monaten war Vesterling öfter mit ähnlichen Situation konfrontiert: „Wir stellen ein Jahr nach Einführung der Blue Card fest, dass Unternehmen den bürokratischen Aufwand scheuen und nicht fünf Monate auf ihren Spezialisten warten können.“ Nach erfolgter Vertragsunterzeichnung für die Firmen ist auch noch lange nicht klar, ob dem ausländischen Mitarbeiter tatsächlich eine Blue Card zugeteilt wird – zum Beispiel wenn der Hochschulabschluss nicht von einer deutschen Universität stammt. Die Bewerber sind genauso verunsichert, wenn sie erfahren, wie lange das Prozedere dauert. Sie fürchten, dass Arbeitgeber sich frühzeitig wieder abwenden.
Visa müssen rascher erteilt werden
Die Blue Card wurde im August 2012 als Mittel gegen den Engpass bei Spezialisten in IT, Engineering und weiteren Mangelberufen eingeführt. Sie ermöglicht qualifizierten Arbeitssuchenden von Staaten außerhalb der EU die befristete Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in Deutschland. Mit der neuen Beschäftigungsverordnung vom Juli 2013 wurde der Zugang sogar auf Personen mit einer Berufsausbildung von mindestens zwei Jahren ausgeweitet.
„Die Bearbeitungsdauer der Visum-Anträge macht die Blue Card zahnlos. Eigentlich sollte es möglich sein, die Visum-Formalitäten innerhalb von 24 Stunden zu prüfen, wenn alle Unterlagen vorliegen, und in nützlicher Frist einen Antrag zu bearbeiten“, meint Martin Vesterling. Was so viel Zeit in Anspruch nimmt, ist die Beteiligung der Ausländerbehörde und gegebenenfalls der Bundesagentur für Arbeit (ZAV). Begrüßenswert wäre es daher, wenn die Ausländerbehörde durch die Visastelle nicht mehr einbezogen werden müsste.
Arbeitgeber weichen lieber auf Outsourcing aus
Viele Arbeitgeber lehnen unter den bestehenden Bedingungen dankend ab, auch wenn die Qualifikation des Bewerbers stimmt. Es dauert viel zu lange, sagen sie, und verlegen sich nach bereits erfolgloser Suche in Deutschland auf Outsourcing und Offshoring. Deutschland droht dadurch weiterhin, einen wichtigen Teil der Wertschöpfungskette und des Know-hows ins Ausland zu verlieren. Das Visum ist nämlich nur der zweite Schritt des bürokratischen Weges, um eine Blue Card zu erhalten. Zuvor muss ein Arbeitsvertrag bei einem Unternehmen in Deutschland zustande gekommen sein. Nach dem Visum ist die Anmeldung eines Wohnsitzes in Deutschland bei der örtlichen Meldebehörde erforderlich. In einem weiteren Behördengang erfolgt schließlich die Beantragung der Blue Card. Je nach Wohnort kann die Bearbeitung durch die zuständige Ausländerbehörde weitere vier bis sechs Wochen in Anspruch nehmen. Dann erst kann der Arbeitnehmer seine neue Stelle in Deutschland endlich antreten.