28. Juli 2020
Video-Interview vs. persönliches Bewerbungsgespräch
Interview mit Martin Vesterling: Personalentscheider nutzen neue Informationsebenen zur Beurteilung von Bewerbern
München, 28. Juli 2020. Video-Interviews liegen seit Beginn der Corona-Krise im Trend und nehmen weiter zu. Die Vorteile werden offensichtlich, sobald man sich mit Remote-Recruiting eingehender vertraut macht. Die Video-Technologie bietet neue Möglichkeiten, Bewerber kennenzulernen und zu prüfen. Vesterling, einer der führenden Personaldienstleister im Bereich Technologie, hat in den letzten Monaten die Erfahrungen mit Remote-Recruiting ausgebaut. Martin Vesterling, Vorstandsvorsitzender der Vesterling AG, erläutert wesentliche Fragestellungen rund um Video-Interviews.
Welche Vorteile bietet Remote-Recruiting?
Martin Vesterling: Kandidaten und Entscheidungsträger finden in der Regel schneller einen Termin. Auch wenn Entscheidungsträger an verschiedenen Standorten arbeiten oder auf Reisen sind, können Interviews kurzfristig durchgeführt werden. Zudem ist der organisatorische Aufwand für die Koordination bei mehreren Teilnehmern deutlich geringer. Für Unternehmen sind Video-Interviews kostengünstig, da keine Reise- und Übernachtungskosten anfallen. Für Bewerber sind solche Gespräche besonders unkompliziert, da lange Reisezeiten entfallen und kein zusätzlicher Urlaubstag für den Termin in Anspruch genommen werden muss. Gerade Kandidaten aus dem Technologie-Bereich, in dem Unternehmen weiter um Personal kämpfen, verfolgen oft mehrere Stellenangebote gleichzeitig. Sie neigen dazu, einem Gespräch bei einem Arbeitgeber, der digital und somit ortsunabhängig rekrutiert, höhere Priorität einzuräumen.
Kann ein Bewerber im Video-Interview genauso gut beurteilt werden wie von Angesicht zu Angesicht?
Martin Vesterling: Wenn Sie das Medium richtig einsetzen, sind Sie im Remote-Recruiting bereits sehr nahe an einem persönlichen Gespräch. Details, die in einem Video-Interview nicht oder nur bedingt wahrgenommen werden können, etwa wie sich jemand im Raum bewegt oder wie er mit anderen Personen vor Ort interagiert, werden durch neue Informationsebenen ausgeglichen:
Sie gewinnen anhand verschiedener Einzelheiten einen Eindruck davon, wie sich der Bewerber online selbst präsentiert. Hat er einen professionellen Namen und ein ansprechendes Bild für den Account gewählt? Setzt er eine hochwertige und technisch einwandfreie Audio- und Videotechnik ein? Hat er seine unmittelbare Umgebung über das Gespräch informiert oder wird er laufend gestört? Es lässt sich beobachten, ob der Bewerber dem Vorstellungsgespräch genügend Bedeutung beimisst, zum Beispiel indem er seinen Arbeitsplatz ordentlich aufgeräumt hat und trotz Home-Office formelle Kleidung trägt. Das Remote-Interview gibt dem aufmerksamen Personalentscheider viel über den Kandidaten preis – nur eben auf eine andere Art und Weise.
Welchen Rat geben Sie Personalentscheidern für das Remote-Interview?
Martin Vesterling: Wer jetzt seine ersten Schritte mit der Videotechnik macht, ist meist etwas angespannt, weil er nicht sicher ist, ob die Technik einwandfrei funktioniert. Dies gilt insbesondere bei Gesprächen mit IT-Bewerbern und mit mehreren Teilnehmern. Daher empfehle ich, rechtzeitig einen Technik-Check durchzuführen und die Telefonnummern sämtlicher Teilnehmer für eventuelle technische Ausfälle bereitzuhalten. Das hilft, Stress abzubauen und sich auf den Bewerber zu konzentrieren. Je öfter Sie das Medium nutzen, desto mehr Sicherheit gewinnen Sie mit der Technik und können sich auf Person und Gespräch fokussieren. Übung macht auch in diesem Fall den Meister. Das gilt im Übrigen für den interviewten Kandidaten gleichermaßen.
Ein kleiner, aber wichtiger Tipp für jedes Video-Interview: Bitte lächeln! Die Mimik wird je nach Bildausschnitt sehr stark wahrgenommen. So können Sie eine gewinnende Wirkung erzielen.
Wie stellen Sie trotz der räumlichen Distanz einen persönlichen Draht zum Bewerber her?
Martin Vesterling: Für manche ist es tatsächlich schwieriger, per Video eine persönliche Beziehung zum Bewerber aufzubauen. Meist hilft es, sich auf die räumliche Umgebung des Bewerbers zu beziehen und mit einer freundlichen Bemerkung das Eis zu brechen.
Augenkontakt spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Viele achten während des Vorstellungsgesprächs zu sehr darauf, die Mimik des Bewerbers zu beobachten, und vergessen dabei, dass der Blickkontakt nicht über den Monitor, sondern über die Kamera hergestellt wird. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Sie am Bewerber vorbeischauen. Platzieren Sie deshalb die Kamera auf Augenhöhe, ziehen Sie das Videofenster, das den Gesprächspartner zeigt, so klein wie möglich und nahe an die Kamera heran. Schauen Sie so oft wie möglich direkt in die Kamera.
Mit welcher Technologie führt Vesterling Remote-Interviews durch?
Martin Vesterling: Wir verwenden schon seit langer Zeit Skype. Es ist das bekannteste und am weitesten verbreitete Tool für Videochats. Je nach Erfordernis seitens der Klienten und Kandidaten nutzen wir auch andere Programme.
Welche Plattformen gibt es neben Skype?
Martin Vesterling: Zoom ist derzeit als Videoplattform sehr beliebt, wegen des mangelhaften Datenschutzes aber auch in kritischer Diskussion. Microsoft Teams gewinnt weiter Marktanteile, da der Konzern während der Corona-Pandemie die Lizenz kostenlos zur Verfügung stellt. Mit Cisco WebEx, das als Enterprise-Lösung weltweit etabliert ist, können gleichzeitig Video- und Websharing-Funktionen genutzt werden. Die Kollaborationsplattform Slack verfügt neben diversen anderen Tools auch über eine Videoanruf-Funktion. Googles Video-Tool Hangouts/Meet kann sowohl im Browser als auch über Apple- oder Android-Geräte genutzt werden und ist kostenfrei. Darüber hinaus werden häufig GoTo Meeting und verschiedene andere Tools eingesetzt.
Wer entscheidet, welche Plattform genutzt wird – Arbeitgeber oder Bewerber?
Martin Vesterling: Wenn Sie einen seltenen IT-Experten gewinnen wollen, hängt die Wahl der Plattform auch davon ab, welche Lösung der Bewerber bereits nutzt. Dies ist natürlich begrenzt durch die Technologien, die in einem Unternehmen zur Verfügung stehen und dort erlaubt sind. In der Regel schlägt das Unternehmen ein oder zwei gängige Videotools vor.
Viele Kandidaten reagieren auf die Einladung zu einem Video-Bewerbungsgespräch sehr positiv, da der Aufwand für sie gering ist. Wir bei Vesterling sehen die Remote-Interviews als eine hervorragende Ergänzung zum persönlichen Interview und freuen uns, dass immer mehr unserer Klienten die neuen Technologien erfolgreich nutzen und Bewerber zunehmend ganz ohne ein persönliches Präsenzinterview einstellen.
„Video-Interviews bieten neue Möglichkeiten der Beurteilung von Bewerbern. Viele Arbeitgeber stellen zunehmend ganz ohne persönliches Bewerbungsgespräch ein“, sagt Martin Vesterling, Vorstandsvorsitzender der Vesterling AG